Hoch über dem Marktplatz einer kleinen Stadt hatte ein Seiltänzer sein Seil gespannt und machte dort vor den staunenden Augen vieler Zuschauer seine gefährlichen Kunststücke. Gegen Ende der Vorstellung holte er eine Schubkarre hervor und fragte einen der Anwesenden: „Sagen Sie, trauen Sie mir zu, dass ich die Karre über das Seil schiebe?“ „Aber gewiß“, antwortete der Gefragte fröhlich und auch mehrere andere der Unstehenden stimmten der Frage sofort zu.
„Dass ich einen Menschen hinüber fahren kann?“ – “ Äh, ja.“
„Würden Sie sich dann in die Karre setzen und von mir über das Seil fahren lassen?“ fragte der Schausteller weiter.
Da wurden die Mienen der Zuschauer ängstlich. Nein, dazu hatten sie keinen Mut, das trauten sie sich und ihm nicht zu.
Plötzlich meldete sich ein Junge. „Ich setze mich in die Karre!“, rief er, kletterte hinauf, und unter dem gespannten Schweigen der Menge schob der Mann das Kind über das Seil. Als er am anderen Ende ankam, klatschten alle begeistert Beifall. Einer aber fragte den Jungen: „Sag, hattest du gar keine Angst da oben?“
„Oh nein“, lachte der, „der mich über das Seil schob, ist ja mein Vater!“
(Quelle unbekannt; eine der Internet-Versionen der Geschichte, die Propst Riecke gestern in seiner Predigt im Eröffnungsgottesdienst der Zelttage erzählt hat)