Ich gehe gerne über Friedhöfe.
Ein Kreuz auf einem Grabstein ist nicht ungewöhnlich, drei Kreuze auf angedeutetem Hügel schon. Sie ziehen mich an, lassen mich verweilen.
Das etwas größere Kreuz in der Mitte ist Jesu Kreuz, klar.
Jesus, der gesagt hat: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.
Was für ein Anspruch.
Was für ein Anspruch an sich.
Was für ein Anspruch von einem, der gerade qualvoll am Kreuz stirbt,
scheinbar ausweglos, scheinbar der Lüge und Hochstapelei überführt,
widersprüchlicher geht kaum.
Am linken Kreuz einer, der nicht glaubt, wer da neben ihm hängt.
Einer, der bitter und stolz noch am Ende seines Lebens in die Verachtung der anderen einstimmt und nichts als Hohn und Spott übrig hat für den Sohn des allmächtigen Gottes.
Am rechten Kreuz einer, der im Angesicht des Todes alles auf eine Karte und sein Vertrauen ganz auf den setzt, der blutüberströmt und verachtet neben ihm hängt.
Demütig und vertrauensvoll seine Bitte: Denk an mich.
Kann die Erfüllung einer Bitte überwältigender sein, unverdienter, ungeahnter?
Heute noch mit Ihm im Paradies, und der Jubel der Engel unvorstellbar, als er behutsam eintritt, Schuld gegen Gnade getauscht, im letzten Moment gerettet für die Ewigkeit. —-
Der Grabstein gefällt mir sehr.
Hoffentlich kommen viele an ihm vorüber, suchen ihren Platz in der kleinen in Stein gemeißelten Szene. Denn einer nur von beiden fand an jenem Tag nach Hause ins Paradies.
Nur der eine von beiden.
Zusammen mit Jesus wurden auch zwei andere Männer zur Hinrichtung geführt, zwei Verbrecher. Als sie an die Stelle kamen, die ›Schädel‹ genannt wird, kreuzigten die Soldaten ihn und die beiden Verbrecher, den einen rechts und den anderen links von ihm. Jesus aber sagte: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.« Die Soldaten warfen das Los um seine Kleider und verteilten sie unter sich. Das Volk stand dabei und sah zu. Und die führenden Männer sagten verächtlich: »Anderen hat er geholfen; soll er sich doch jetzt selbst helfen, wenn er der von Gott gesandte Messias ist, der Auserwählte!« Auch die Soldaten trieben ihren Spott mit ihm; sie traten zu ihm hin, boten ihm Weinessig an und sagten: »Wenn du der König der Juden bist, dann hilf dir selbst!« Über seinem Kopf war eine Aufschrift angebracht; sie lautete: »Dies ist der König der Juden.« Einer der beiden Verbrecher, die mit ihm am Kreuz hingen, höhnte: »Du bist doch der Messias, oder nicht? Dann hilf dir selbst, und hilf auch uns!« Aber der andere wies ihn zurecht. »Fürchtest du Gott auch jetzt noch nicht, wo du doch ebenso schlimm bestraft worden bist wie dieser Mann und wie ich?«, sagte er zu ihm. »Dabei werden wir zu Recht bestraft; wir bekommen den Lohn für das, was wir getan haben. Er aber hat nichts Unrechtes getan.« Dann sagte er: »Jesus, denk an mich, wenn du deine Herrschaft als König antrittst!« Jesus antwortete ihm: »Ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.«